Interview mit Rene Bernhardt in Altenahr

Autor:in : Iris Staron

Wir haben am 10. Juli 2022 mit Rene (49 Jahre) aus Meckenheim gesprochen, der den Beginn der Flut in Altenahr erlebt hat.

Lieber Rene, welche Farbe hat dein Tag heute und warum?

Puuhh, schwer zu beantworten, denn ich liebe Farben im Allgemeinen. Es kommt immer darauf an was ich sehe. Und heute würde ich sagen: Grün! Grün ist die Farbe der Hoffnung.

Der 14. Juli ist jetzt bald ein Jahr her. Wie hast du den Tag verbracht, wie und wo hast du die Flut erlebt?

Der Tag war eigentlich ganz normal. Man hörte zwar, dass es Regen geben sollte, aber das hat mich nicht davon abgehalten mit zwei Kollegen noch wandern zu gehen.

Der Boden war allerdings schon sehr gesättigt und sehr feucht und nass. Aber die Natur war unglaublich grün: Tolle Farben, vor allem dieses satte Grün des Mooses, das hat er mir an dem Tag besonders angetan.

Wir sind also in Ahrtal gefahren und es hat geregnet. Wir sind gelaufen – die hier klassische Runde hoch zum Teufelsloch, mit einem Abstecher ins Langfigtal – und wir hätten uns nicht ansatzweise vorstellen können, was da dann Stunden später passiert würde.

Wir haben durchaus bemerkt, dass die Ahr recht hoch stand, sie war aber noch komplett im Flussbett, obwohl es schon eine ziemlich braune Suppe war.

Wir waren maximal zwei Stunden unterwegs und als wir an die Ahr zurückkamen, war die Ahr deutlich gestiegen, der große Parkplatz unter der Eisenbahnbrücke in Altenahr war schon geschwemmt.

Daraufhin habe ich mich entschieden, mein Auto, welches auf der Rückseite des Eisenbahntunnels stand zu holen – wer weiß, was da noch kommen würde?

Weil wir echt durchnässt waren, haben wir dann erst mal einen Kaffee getrunken. Die Menschen, die vorbeikamen und auch der Wirt meinten alle, dass es nicht so schlimm werden würde, aber man merkte, dass alle dennoch nervöser wurden.

Es kam dann auch ein Feuerwehrmann vorbei und sagte, dass man besser Altenahr verlassen sollte, es sei denn, man wolle jetzt unbedingt noch hierbleiben. Wir sind dann noch etwas geblieben, aber schlussendlich bin ich dann über den Rossberg hoch Richtung Kalenborn und dann gen Heimat gefahren.

Und den Rossberg hoch, da kam mir schon richtig viel Wasser entgegen, mit Steinen dazwischen, es war auch Holz dabei. Es war beklemmend, weil es dunkel war, und die ganze Stimmung war düster.

Oben auf dem Rossberg habe ich erst mal gehalten und habe versucht einzusortieren, was das da gerade ist. Natürlich kannte man Hochwasser und auch Starkregen, aber in dieser Dimension hatte ich das vorher noch nicht erlebt, dass Straßen komplett unter Wasser standen und eigentlich Flüsse sind.

Ich bin dann nach Meckenheim zurückgefahren und habe den Abend über Youtube, Internet und Co verfolgt, was da gerade passiert. An schlafen war nicht wirklich zu denken.

Tags darauf bin ich dann über Kalenborn wieder nach Altenahr, und da war schon richtig viel los. Ich bin allerdings gar nicht runter bis nach Altenahr gekommen, das ging gar nicht. Daher bin ich auf die Burg Are gefahren und habe dann runter geschaut und dann erst verstanden, was da eigentlich passiert ist. Das war schon ziemlich heftig.

Hast du dann in den kommenden Tagen beim Aufräumen in Altenahr geholfen?

Nein, ich bin in Meckenheim geblieben und habe dort bei Freunden geholfen, da die Swiss ja auch über die Ufer getreten ist. Aber ich bin dennoch sukzessive immer mal wieder ins Ahrtal gefahren, um auch das Erlebte zu verarbeiten. Und ich muss sagen: Es beschäftigt mich, bis heute!

Ich merke, dass ich wesentlich sensibler mittlerweile bin, sei es Wettervoraussagen oder auch Regen im Allgemeinen, aber ich versuche mich immer wieder auf den Boden zu holen und zu sagen: Stop! Und die Situationen heute oder in den letzten Wochen ist nicht zu vergleichen mit der Situation von vor einem Jahr. Ich gebe mir Mühe nicht panisch oder ängstlich zu werden.

Du bist ja vorher schon viel im Ahrtal gewesen, hast dir das Ahrtal erwandert und bist sehr aktiv in der Facebook-Gruppe „Wandern in der Eifel“, in der du ja auch viele Bilder vom Wiederaufbau des Ahrtals postest. Vielleicht magst du mal erzählen, wie dir das hilft, das Erlebte zu verarbeiten?

Ja, das ist wie Wandern zwischen zwei Welten. Das hört sich vielleicht komisch an, aber für mich fühlt sich das eben so an. Unten im Tal, da wo das Wasser gewesen ist, da ist alles kaputt. Da ist Zerstörung, da ist Leid, da ist Trauer. Und dann geht man ein paar Meter hoch und hat die wundervollste Natur, du hast Blumen, du hast die Weinberge und diese wunderbaren Aussichten über das ganze Ahrtal. Das ist eine Faszination für mich, ich merke, wie ich das brauche und auch liebe. Und ich versuche durch diese Facebook-Gruppe auch vielen die Scheu zu nehmen, die ggf. noch in den Köpfen ist, sich dem Ahrtal wieder zu nähern. Natürlich trauert und empfindet jeder anders, und ich möchte den Menschen auch gar nicht vorschreiben, wie sie mit der Flut umzugehen haben, aber ich versuche durch die Vorher/Nachher-Bilder auch etwas Mut zu machen und die schönen Dinge zu zeigen.

Ich möchte den Menschen mit meinen Bildern auch wieder Hoffnung geben und zeigen, dass es nicht nur Flut gibt, sondern eben auch Positives. Und dieser Wechsel zwischen den „Welten“ finde ich eben extrem spannend.

Und dabei hilft es dir auch noch das Erlebte zu verarbeiten?

Ja genau, quasi zwei Fliegen mit einer Klappe.

Trotz allem was passiert ist, kannst du der Flut auch was Positives abgewinnen?

Ja!! Ja, das kann ich definitiv, weil ich denke, dass etwas, was uns gesellschaftlich total abhandengekommen ist, jetzt wieder da ist. Und das ist diese SolidAHRität, diese unfassbare Hilfsbereitschaft. Menschen, die gar nichts mit dem Ahrtal zu tun hatten, sind ins Ahrtal gekommen, haben geschippt, im Schlamm gestanden und bis zur Erschöpfung gearbeitet und anderen Menschen geholfen. Und das ist etwas, was allen Flutgebieten so zu Gute kam. Es geht, wir können es! Und ich finde, das sollte man sich immer wieder hervorrufen und klarmachen – so schlimm die Flut auch immer noch ist mit ihren Auswirkungen – aber dieses Helfen und Miteinander – das muss man aufbauen und am Leben erhalten. Es schwindet wieder.

Hast du Ideen, was man tun könnte, um die SolidAHRität am Leben zu erhalten?

Ja, ich sehe ganz massiv die Medien hier in der Pflicht. Gerne nimmt man ja Themen, die aktuell interessant sind und die man ausschlachten kann. Und wenn das Thema durch ist, verschwindet es dann auch direkt wieder aus der Berichterstattung. Und ich sehe das als Gefahr, denn die Menschen im Ahrtal haben bis heute noch zu kämpfen. Jetzt zum Jahrestag wird natürlich wieder viel berichtet, aber ich denke, das wird dann auch spätestens in drei Wochen wieder nachlassen. Das darf nicht sein, man muss dabeibleiben! Und man muss auch immer wieder der Politik bewusst machen: Es ist noch lange nicht vorbei!

Was wünscht du dir für das Ahrtal?

Das Ahrtal hat ein unheimlich schönes Flair vor der Flut gehabt. Es war grün, aber es hatte was Gemütliches: Der Wein, die Weinberge… und da hoffe ich einfach, dass das Ahrtal diesen alten Weincharme behält und nicht zu modern wird.

Lieber Rene, wir danken dir für das Interview und wünschen dir, dass der Wald deine, aber auch die Wunden anderer Betroffener heilt. FlutMut wünscht dir weiterhin viel Freude bei deinen Wanderungen und hofft ebenso, dass durch deine Bilder die Menschen wieder Mut fassen. 

Rene stellt sich vor:

Ich bin der Rene, bin 49 Jahre alt, ich bin selber nicht direkt aus dem Ahrtal, sondern lebe in Meckenheim, wo auch die Flut gewesen ist, aber nicht so schlimm wie hier im Ahrtal.

Ich habe zwei erwachsene Söhne und bin dem Ahrtal extremst verbunden – und seit dem 14. Juli 2021 durch die Flut nochmal mehr.

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